Stadtgeschichten (Originaltitel Tales of the City), in manchen Ausstrahlungen auch Geschichten aus San Francisco, ist eine britisch-US-amerikanische Miniserie aus dem Jahr 1993. Sie basiert auf dem ersten Roman der Stadtgeschichten-Reihe des amerikanischen Schriftstellers Armistead Maupin.
Die sechs Folgen der Produktion wurden im Vereinigten Königreich wöchentlich vom 28. September bis 2. November 1993 ausgestrahlt. In den USA wurden die Episoden als Doppelfolgen am 10., 11. und 12. Januar 1994 zum ersten Mal veröffentlicht. In Deutschland wurde die Serie am 4. Oktober 1995 auf tm3 erstveröffentlicht. Im Jahr 2009 waren Wiederholungen der Serie auf TIMM zu sehen. Seit Juni 2019 ist die Serie zudem auf Netflix abrufbar.
Die Serie ist die erste Adaption der Buchreihe. Nach ihr folgten 1998 Mehr Stadtgeschichten, 2001 Noch mehr Stadtgeschichten sowie 2019 die Netflix-Eigenproduktion Stadtgeschichten.
Handlung
Im Jahr 1976 verbringt die junge Frau Mary Ann Singleton ihren Sommer-Urlaub in San Francisco. Für Mary Ann, die aus Cleveland stammt, ist die Großstadt mit ihrer Offenheit und sehr großen, vielfältigen LGBT-Gemeinschaft etwas völlig Neues. Sie mietet sich eine Wohnung in der 28 Barbary Lane, das Wohnhaus gehört der unkonventionellen Anna Madrigal. Mary Ann trifft in der Stadt auf ihre alte Schulfreundin Connie Bradshaw und schließt viele neue Freundschaften, unter anderem mit ihren Nachbarn Brian Hawkins, Michael Tolliver und Mona Ramsey. Mary Ann entschließt sich im Laufe der Serie, länger in der Stadt zu bleiben, die letzte Folge spielt am Neujahrstag 1977. Neben Mary Anns Privatleben in der Barbary Lane und ihrer Arbeit in Edgar Halcyons Werbeagentur steht auch der berufliche beziehungsweise persönliche Alltag der anderen Figuren im Mittelpunkt, vor allem wird oft Bezug auf das Leben der LGBT-Community in den 1970er Jahren genommen, da viele Charaktere Mitglieder ebendieser sind.
Produktion
Im Jahr 1982 sicherte sich HBO die Filmrechte an den ersten beiden Büchern der Stadtgeschichten-Reihe. Der Sender wollte den Stoff zu einer wöchentlichen Sitcom verarbeiten. Der Drehbuchautor Richard Kramer beschrieb die damaligen Drehbücher als „Mary Tyler Moore der 1980er Jahre“. Allerdings änderten sich diese Pläne durch die AIDS-Epidemie und das durch Ronald Reagans Präsidentschaft konservativer gewordene gesellschaftliche Klima in den Vereinigten Staaten. HBO war der Ansicht, dass eine Serie, in der Homosexualität, Casual Sex sowie der Konsum von Marihuana positiv dargestellt werden, beim Publikum nicht gut ankommen würde. Deswegen sollte die Serie zunächst in ein Drama umgeschrieben werden, HBO verzichtete schließlich jedoch ganz auf eine Verfilmung der beiden Bücher.
Elf Jahre später wurde die Serie schließlich zusammen von Channel 4 und PBS produziert und im Vereinigten Königreich beziehungsweise den Vereinigten Staaten ausgestrahlt. Die Ausstrahlung sicherte PBS zwar sehr gute Einschaltquoten, allerdings wurde die Produktion von konservativen Verbänden aufgrund ihrer sehr offenen Darstellung von Homosexualität und ihrer expliziten Nacktszenen (die in manchen US-Versionen zensiert wurden) vielfach kritisiert. Robert Council, der damals eine hohe Position beim Family Research Council besetzte, bezeichnete die Serie als „aalglatte Schwulen-Propaganda“ und versuchte gemeinsam mit der American Family Association, die staatliche Förderung von PBS streichen zu lassen, was allerdings scheiterte. Aufgrund dieser Kritik entschloss sich PBS, eventuelle Fortsetzungen nicht mehr zu produzieren.
Besetzung
Die Synchronisation der Serie wurde bei der Magma Synchron nach einem Dialogbuch und unter der Dialogregie von Joachim Kunzendorf erstellt.
Episodenliste
Rezeption
Kritikerstimmen
In der Internet Movie Database erhielt die Serie eine Bewertung von 8,7 aus zehn Sternen basierend auf 2387 abgegebenen Stimmen. Auf Rotten Tomatoes erhielt die Serie eine Kritikerbewertung von 100 Prozent.
Entertainment Weekly bewertete die Serie anlässlich ihrer DVD-Veröffentlichung im Jahr 2005 mit einem B (entspricht einer deutschen Zwei). Laut der Zeitschrift sei Stadtgeschichten eine „Zeitkapsel, die ihre Charaktere mit Humor und Respekt“ behandle, zudem beinhalte die Serie eine „sexuelle Direktheit“, die 1993 für PBS ungewöhnlich gewesen sei und heutzutage auf dem Sender aus politischen Gründen gar nicht mehr gezeigt werden könnte. Daher sei die Serie eine der zehn besten auf DVD veröffentlichten Miniserien.
In einer Kritik aus dem Jahr 2009 schrieb Stephen Brook im The Guardian, dass man vermuten könne, eine Serie aus dem Jahr 1993 über unbekümmerte Bewohner San Franciscos und die LGBT-Community der 1970er Jahre könnte im Vergleich zu aktuelleren Produktionen wie Queer as Folk, The L Word – Wenn Frauen Frauen lieben und Brokeback Mountain „zaghaft und altmodisch“ wirken. Allerdings sei Stadtgeschichten immer noch ein „wahres Vergnügen.“ Brook äußerte sich dabei positiv über die Tatsache, dass die vielen Handlungsstränge in einem „delikat langsamem“ Tempo erzählt würden. Laut Brook sei die Serie nicht aufgrund ihrer sehr direkten Darstellung vom homosexuellen Lebensalltag „bahnbrechend“ gewesen, sondern aus dem Grund, dass sich die Charaktere für ihre Sexualität nicht rechtfertigen mussten. Die Serie sei bei den Zuschauern so beliebt gewesen, da es in ihr letztendlich um Personen ging, die miteinander freundlich und hilfsbereit umgingen. Brook schloss seine Kritik mit den Worten, dass jeder, der den Film Milk aus dem Jahr 2008 mag, auch Stadtgeschichten gut finden würde.
Laut Tasha Robinson der Webseite The AV Club ebnete Stadtgeschichten den Weg für mehr und mehr Fernsehserien, die Homosexualität in einem positiven Licht darstellen, weswegen die Serie rückblickend betrachtet ein wenig „bizarr“ sei. Zwar wirke die Serie nach einigen Folgen wie eine Art Insider-Witz, da in San Francisco nur ein paar Leute zu wohnen scheinen, die sich ständig treffen. Dies sei aber angemessen, da es im Kern der Serie um zwischenmenschliche Beziehungen zwischen verschiedenen Personen ginge. Dem Folgenregisseur Alastair Reid sei es zu verdanken, dass sich die Serie nicht allzu sehr wie eine „Nachmittags-Seifenoper“ anfühle. Stattdessen halte er den Ton der Serie „mild“, die Leistungen der Schauspieler seien nicht „theatralisch“, sondern „unaufdringlich und bescheiden“. Im Vergleich zu den „seichten“ Fortsetzungen sei die Serie „lebensnah“. Sie erzähle einfach nur Geschichten über Sex und Liebe und fokussiere sich dabei auf die Persönlichkeiten, nicht die Geschlechter der Charaktere.
Ross Ruediger schrieb in Variety, die Verflechtung mehrerer Geschichten sei so gut wie in modernen Serien, beispielsweise Downton Abbey oder Mad Men. Durch die unscharfe und zugleich flüssige Kameraführung entstehe der Eindruck, dass die Produktion tatsächlich in den 1970er Jahren gedreht wurde. Maupins Universum sei derart fesselnd, dass man sich in der insgesamt sechsstündigen Serie „verlieren“ würde. An der Handlung wirke nichts gezwungen oder an den „Haaren herbeigezogen“, alles fühle sich natürlich und richtig an. Ruediger lobte vor allem die Beziehung zwischen Anna Madrigal und Edgar Halcyon und damit die beiden Darsteller Olympia Dukakis und Donald Moffat, zudem sei Barbara Garrick als DeDe Halcyon „unterbewertet“. Das Schockierendste an Stadtgeschichten sei aus heutiger Sicht, wie „zahm“ die Sexszenen wirkten. Im Kabelfernsehen und der Stadtgeschichten-Adaption aus dem Jahr 2019 würden Geschlechtsverkehr und Drogenkonsum viel expliziter dargestellt. Ruediger kam zu dem Schluss, dass Maupin nachvollziehbar über LGBT-Personen und deren Inklusion schrieb, lange bevor dies zum Mainstream wurde. Da die Welt nun diesem Thema viel offener begegne, könnte die Serie im Jahr 2019 als das erkannt werden, was sie schon immer war: Erzählkunst, bei der für jeden etwas dabei sei.
Der Filmdienst befand, dass die Serie eine „detailfreudig ausgestattete Verfilmung eines Kultromans“ sei, die das „Lebensgefühl einer Generation in den Mittelpunkt stellt, die sich für Flower-Power, freie Liebe und Drogenexperimente begeisterte“. Zugleich setze sie einer „liberalen Stadt ein Denkmal, in der Pazifisten, Freigeister und Homosexuelle eine Heimstatt fanden“.
Auszeichnungen
Die Serie wurde im Jahr 1994 in den Kategorien Beste Miniserie oder Fernsehfilm sowie Bestes Drehbuch einer Miniserie oder eines Fernsehfilms für einen Emmy nominiert. Im selben Jahr erhielt die Serie bei der BAFTA-Verleihung Nominierungen in den Sparten Beste Hauptdarstellerin (für Olympia Dukakis) und Bestes Kostüm-Design (für Molly Maginnis). Im Jahr 1995 erhielt die Serie einen GLAAD Media Award in der Kategorie Beste Mini-Serie sowie einen Peabody Award. Letzteren erhielt die Serie laut Jury, da sie „mit mutiger Ehrlichkeit“ und „beschwingtem Humor“ die „knallbunten Exzesse“ in San Francisco vor der AIDS-Krise darstelle. Dank des Regisseurs Alastair Reid, des Autors Richard Kramer und der Darsteller halte Stadtgeschichten die „kurzen Jahre der Unschuld und seligen Unwissenheit“ fest und „feiere gleichzeitig die Hoffnung und den Optimismus einer Zeit, die lange zurückzuliegen“ scheint. Daher verdiene die Miniserie, die über „Nostalgie und die Grenzen des Fernseh-Dramas“ hinausgehe, die Auszeichnung.
Weblinks
- Armistead Maupin's Geschichten aus San Franzisko bei IMDb
- Stadtgeschichten – Tales of the City bei Fernsehserien.de
Einzelnachweise




