Die Transportes Marítimos do Estado (TME) waren eine portugiesische Staatsreederei, die von 1916 bis 1925 bestand. Sie betrieb fast 70 ehemals deutsche und österreichisch-ungarische Schiffe, deren Beschlagnahme zu Portugals Eintritt in den Ersten Weltkrieg führte.
Geschichte
Vorgeschichte
Nach Beginn des Ersten Weltkrieges im August 1914 konnten zahlreiche Schiffe der Mittelmächte nicht mehr rechtzeitig Häfen Deutschlands oder eines Verbündeten erreichen. Viele versuchten mit der Internierung in portugiesischen Häfen, einer Beschlagnahme oder Aufbringung durch die Entente-Staaten zu entgehen. In den Häfen des neutralen Portugals suchten insgesamt 72 deutsche und zwei österreichisch-ungarische Schiffe Schutz.
Seit August 1914 lagen allein im Hafen von Lissabon 35 Schiffe, weitere in den Häfen von Ponta Delgada (Azoren, 3 Schiffe), Horta (Azoren, 3 Schiffe), Setúbal (1 Schiff), Mormugão (Indien, 6 Schiffe), Luanda (Angola, 3 Schiffe), São Vicente (Kap Verde, 8 Schiffe), Funchal (Madeira, 4 Schiffe), Mosambik (2 Schiffe), Beira (Mosambik), Zambezi (Mosambik, 1 Schiff), Guinea, (2 Schiffe) und ein Schiff mit unklaren Ort. Die Bruttotonnage dieser Schiffe betrug rund 242.000 Tonnen.
Gleichzeitig konnte Portugal mit dem eigenen Schiffsraum von 33 Schiffen das Land nicht mit den notwendigen Einfuhren selbst versorgen und war auf Charterverträge angewiesen. Daher versuchte die portugiesische Regierung 1915, internierte deutschen Schiffe zu chartern oder zu kaufen. Dies wurde vom Deutschen Reich abgelehnt. Im Dezember 1915 begannen Gespräche zwischen der portugiesischen und britischen Regierung mit dem Ziel, diese Schiffe für die Versorgung der beiden Länder einzusetzen.
Auf Ersuchen der britischen Regierung beschlagnahmte Portugal die internierten Schiffe am 23. Februar 1916. Das führte am 9. März zur Kriegserklärung des Deutschen Reiches und am 15. März von Österreich-Ungarn an Portugal. Portugal trat damit auf Seiten der Entente in den Ersten Weltkrieg ein.
Gründung und Tätigkeit im Ersten Weltkrieg
Zur Bewirtschaftung der Schiffe schuf die Regierung eigens die Staatsreederei Transportes Maritimos do Estado. Die Schiffe erhielten Namen nach Orten aus den Gebieten, in denen sie beschlagnahmt worden waren. Fast alle der 74 beschlagnahmten Schiffe wurden der Transportes Maritimos do Estado übertragen, lediglich der Marinha Portuguesa wurden einige Schiffe zugewiesen (Newa → Patrão Lopes, Kadett → Pebane, Linda Woermann → Punque, Kronprinz → Quelimane, Lahneck → Gil Eannes, Pluto → Sado). Sitz des neuen Unternehmens und Heimathafen der Schiffe wurde Lissabon.
Von diesen Schiffen vercharterte Portugal nach einer Vereinbarung vom Juli 1916 eine Flotte von 42 Schiffen einschließlich Besatzungen an Großbritannien und erhielt im Gegenzug dafür Kredite. In Großbritannien wurden die Schiffe von Furness, Withy & Co. bereedert, von denen im Krieg 22 verloren gingen. Die übrigen 20 Schiffe wurden nach dem Krieg an die TME zurückgegeben. Einzelne Schiffe wurden zudem an Frankreich verchartert oder an portugiesische Reedereien als Ersatz für requirierte Schiffe übergeben wie bei der Empresa Insulana de Navegação. Portugal selbst behielt Schiffe mit einer Tonnage von rund 85.000 BRT, die der TME zur Bereederung überantwortet wurden.
Die kurzfristige Schaffung einer Reederei mit einer großen Flotte stelle die Verantwortlichen vor die Herausforderung, schnell Flottenmanager, Seeleute, Offiziere und anderes qualifiziertes Personal zu finden. Da kaum erfahrenes Personal zur Verfügung stand, führte dies zu Problemen bei Wirtschaftlichkeit und Qualität des Unternehmens. Das Unternehmen konnte dies weder im Krieg noch nach dem Krieg lösen. Laufende Beschwerden über den Betrieb blieben ein Merkmal der Reederei.
Der Einsatz der Schiffe ist in der Kriegszeit insgesamt – auf portugiesischer wie britischer Seite – aufgrund der Zensur nur sehr sporadisch dokumentiert. Die Schiffe wurden für Transporte aller Art herangezogen, sowohl für zivile Transporte wie auch für militärischen Nachschub. Die von der TME selbst bereederten Schiffe wurden in erster Linie für den Transport von Grundnahrungsmitteln aus den Kolonien und für den Transport von Kolonialprodukten zu den englischen und französischen Märkten eingesetzt.
An Großbritannien und von ihnen an Frankreich weiter vercharterte Schiffe wurden stärker in militärische Nachschubtransporte eingebunden: Frankreich etwa setzte sie auf der Thessaloniki-Route zwischen Marseille und Griechenland ein, die zur Versorgung der alliierten Truppen in den Dardanellen diente. Diese Verbindung galt aufgrund der häufigen Angriffe deutscher und österreichischer U-Boote als besonders gefährlich. Weitere an Großbritannien vercharterte Schiffe beteiligten sich an Truppentransporten aus den Vereinigten Staaten nach Europa, nachdem die USA in den Krieg eingetreten waren.
Tätigkeit nach dem Ersten Weltkrieg
Nach Kriegsende wurden die Charterverträge mit Großbritannien zunächst verlängert, ab Ende 1919 begann die Rückgabe der ersten Schiffe an Portugal und die TME. Laufende Verträge – wie die Getreidetransporte von Kanada nach Portugal – liefen weiter. Gleichzeitig übertrug die portugiesische Marine die beiden 1916 beschlagnahmten und von ihr genutzten deutschen Schiffe Punque (ex Linda Woermann) und Sado (ex Pluto) an die TME, so dass die Staatsreederei bis 1921 insgesamt 39 Schiffe zurück erhielt.
Zugleich sah die Reederei Potenzial und Notwendigkeit für neue Linien, da die portugiesischen Reedereien während des Krieges 129 Schiffe mit 135.000 BRT verloren hatten. Die ursprüngliche portugiesische Handelsflotte der Vorkriegszeit bestand nur noch aus elf Schiffen mit 44.000 BRT und war aufgrund mangelnder Ankaufmöglichkeiten während des Krieges überaltert.
Noch bevor alle vercharterten Schiffe zurückgegeben waren, eröffnete die TME eigene Linienverbindungen. Zum Einsatz kamen zunächst 14 Schiffe, die im Fracht- wie im Passagierverkehr Häfen in Europa, den Vereinigten Staaten, Südafrika und Brasilien anliefen.
Als Passagierlinien standen insbesondere die Verbindungen in die Vereinigten Staaten und nach Brasilien im Fokus der portugiesischen Öffentlichkeit. Auf der Nordamerika-Route setze die Reederei die drei Schiffe Goa, Mormugao und São Vicente ein, auf der Südamerika-Route die Passagier- und Kombischiffe Trás-os-Montes, Porto, Lourenço Marques, Quelimane, São Jorge, Sacavém und Lima. Allerdings mussten beide Dienste bereits 1921 wieder eingestellt werden, da sie nicht die erhofften Erträge erzielten.
Die während des Krieges aufgetretenen Qualitätsprobleme konnten auch nach dem Krieg nicht wirklich behoben werden – die TME arbeitete nicht wirtschaftlich und musste 1922 Konkurs anmelden. Die endgültige Liquidation erfolgte dann ab 1924 und wurde bis Anfang 1925 beendet. Die Schiffe wurden an bestehende portugiesische Reedereien verkauft und gleichzeitig Reedereineugründungen mit den ehemals deutschen Schiffen gefördert (Companhia Colonial de Navegação (7 Schiffe), Companhia Nacional de Navegação (7 Schiffe), Sociedade Geral de Comércio, Indústria e Transportes (9 Schiffe), Companhia de Navegação Carregadores Açorianos (3 Schiffe), Empresa Insulana de Navegação (1 Schiff)). Die übrigen Schiffe gingen an kleinere Unternehmen oder wurden abgewrackt.
Schiffe der Reederei
Die Liste enthält die 1916 beschlagnahmten und der TME übergebenen sowie die zunächst von der Marine genutzten und nach dem Krieg an die TME übergebenen Schiffe.
Literatur
- Dirk Friedrich: Portugal und der Erste Weltkrieg. Ein kleines Land im Großen Krieg. minifanal, Bonn 2017, ISBN 978-3-95421-119-7.
- Reinhart Schmelzkopf: Die deutsche Handelsschiffahrt 1888–1918. Selbstverlag, Cuxhaven 1981, DNB 890889570.
- Duncan Haws: Merchant Fleets 37: Furness, Withy & Co. Ltd. Travel Creatours Ltd., Crowborough 2000, ISBN 0-946378-38-X.
- David Burrell: Furness, Withy 1891–1991. World Ship Society, Kendal 1992, ISBN 0-905617-70-3.
- Jorge Miguel Russo Ribeiro: Os navios portugueses afundados pela arma submarina alemã na Grande Guerra. Dissertation, Lissabon 2018 (Online-Version als PDF).
- Paulo Jorge Martins da Brázia: A Marinha Mercante entre 1945–1985. As Grandes Armadoras. Universidade de Lisboa, Lissabon 2010, (Online-Version als PDF; 43 MB).
- Ana Paula Pires, Rita Nunes, Sérgio Rezendes: A Grande Guerra e os Açores: da estratégia naval à Pneumónica. Letras Lavadas edições, Ponta Delgada 2019, ISBN 978-989-735-229-4 (Online-Version als PDF).
- José António Rodrigues Pereira: A Marinha na Grande Guerra: Teatros de Operações da Europa, Atlãntico e Mediterraneo 1914–1919 (Die Marine im Großen Krieg: Kriegsschauplätze Europa, Atlantik und Mittelmeer 1914–1919). In: Revista Militar Mai 2016, S. 489–519 (Online-Version als PDF).
Weblinks
- Transportes Marítimos do Estado, bei theshipslist.com (englisch), aufgerufen am 19. März 2024
- Os Transportes Marítimos do Estado, bei naviosenavegadores.blogspot.com (portugiesisch), abgerufen am 19. März 2024
- Companhias Portuguesas – Os T.M. do Estado, bei naviosenavegadores.blogspot.com (portugiesisch), abgerufen am 19. März 2024
- Notícias dos T.M.E. em 1918, bei naviosenavegadores.blogspot.com (portugiesisch), abgerufen am 19. März 2024
- A Marinha de Guerra bei momentosdehistoria.com (portugiesisch), abgerufen am 19. März 2024
Einzelnachweise




